B.3.2.3 Die wissenschaftsgeschichtlichen Struktur- oder Grundbestandsperspektiven
In Band 1 werden diese Strukturperspektiven gebildet. Hierzu wird die Geschichte der wissenschaftlichen Irrationalismusentwicklung zunächst allgemein vor dem Hintergrund der Rationalismus- und Kapitalismusentwicklung wahrgenommen (S. 73 - 84) und in ihrem Erscheinungsbild auf dem Psychomarkt dargelegt (S. 23 - 59). Hierfür werden die zeitgeschichtlich tradierungsrelevanten Irrationalismusentwicklungen
- im Pädagogikbereich (z. B. in Bezug auf Langbehn und Lagarde S. 107 - 111, 118, 147, 306, 320, 357, 370)
- im Psychologiebereich (z. B. in Bezug auf Ganzheitlichkeitsbewegung, wissenschaftliche und kosmologische Gestaltheorie und völkische Gestaltpsychologie)
anschaulich gemacht, wobei auch die neopositivistische Wissenschaftsentwicklung und ihre leichte Vereinnahmbarkeit durch die irrationalistische berücksichtigt wird (S. 20 - 119, 73, 105 ff, 112, 290, 365 ff, 369 f, 372, 375).
Die wissenschaftsgeschichtliche Strukturperspektive bezieht sich hierbei auch auf die politische Dimension, die der Psychologieentwicklung innewohnt, je nach dem ob sie die pathologisierenden gesellschaftlichen Einflüsse kritisch reflektiert oder ob sie diese universalisiert oder über deren irrationalistische Ausgestaltung (strukturelle Zeitgeistkonfluenz) auch noch verfestigt und vermehrt (S. 20 ff, 27 - 57, 73 - 85).
Die Studie reflektiert die Irrationalisierung der wissenschaftlichen Bewusstseinsentwicklung hierzu nicht nur im allgemeinen Zusammenhang (mit kapitalistischer Produktionsentwicklung, Einfluss von Aufklärung und Romantik, Vorfaschismus und NS-Diktatur) und im Ethikbezug sondern auch feldexemplarisch und im Bhagwan-Projektbezug auf allen vier Feldstrukturebenen.
Band 2 erweitert die wissenschaftsgeschichtliche Strukturperspektive feldbezogen. Hierzu wird auf die Entwicklung
- der ganzheitlich und "positiv" orientierten Humanistischen Psychologie und deren Konfluenz gegenüber der Transpersonalen Psychologieentwicklung unter Maslow (S. 32 - 81) sowie auf deren Siegeszug unter Maslow, Sutich, Grof, Capra, Naranjo, Wheeler etc. in Esalen und auf die Schwächung bzw. Unterhöhlung der emanzipativen Psychotherapieentwicklung (S. 43, 60, 65, 68 - 154, 242, 296, 387, 404, 541, 568) eingegangen;
- des Gestaltpsychologen / -pädagogen und Gründer der Initiatischen Therapie, Graf von Dürckheim und auf die Weiterentwicklung seiner Initiatischen Therapie zum WEGleibansatz Loomans geblickt (Rütte-Forum).
Hierzu konnten die Grundbestandsperspektiven bis in den hierfür relevanten Wissenschaftstradierungsbereich hinein und zudem auf allen vier Feldstrukturebenen darlegt werden (S. 164 - 241). Denn Dürckheims Entwicklungsweg lässt nicht nur die Rolle der Gestaltpsychologie für seine evolutionär-programmatische Bewusstseinsbildung aufzeigen, sondern auch die Rolle autoritätsgebunden und auf Elitenzugehörigkeit ausgerichtet bleibender Abwehrdynamiken. Diese werden hinsichtlich seiner Bewussteinswenden im politischen Paradigmenwechselbezug reflektiert, einschließlich derjenigen, die ihn eine wissenschaftliche und agitatorische Tätigkeit in Japan im Auftrag des SS-Büros Ribbentrop übernehmen ließ.
Was er dort für eine völkisch-spirituelle Erziehung zum Neuen Menschen erforschte, ging später in die Initiatische Therapie ein und wurde gemäß dem gestalttheoretischen Transponierungsgesetz für die Erziehung zum Neuen Menschen im Evolutionsparadigma der New-Age-Bewegung ausgestaltet. Daran wurde auch die Tradierungsrelevanz gestalttheoretischer Wissenschaftsstrukturen deutlich.
Anhand dieses deutschen Feldbeispiels wurden die strukturell-faschistischen Tradierungsphänomene sehr anschaulich. Hier zeigt sich, welchen Umwertungs- und politischen Wendebezug eine evolutionär-psychologische Umerziehung ("Stufen der Menschwerdung") im absoluten Gewissensbezug und WEGführungsanspruch beinhalten kann.
Neben der vom Blick auf die Entwicklung in Esalen kontextualisierten Bezugnahme auf die "Anfänge der Gestalttherapie" wird durch die von der Irrationalismusentwicklung abgrenzende Fokussierungsweise der wissenschaftsgeschichtlichen Strukturperspektive auch ein studienspezifischer Forschungsanschluss- und Abgrenzungsbezug auf die theoretischen Anfänge der Gestalttherapie möglich. Dies stellt die Würdigung des emanzipativen Kerns, aus dem sich auch das Autonomie-, Verantwortungs- und Kontakt-Entwicklungspotenzial der Gestalttherapie entwickelte, auf festen Boden, ohne die gesamte Entwicklungsgeschichte der Gestalttherapie erörtern zu müssen.
Dieser besteht aus dem in den feldpsychologischen Anfängen der Gestalttherapie festgelegten kategorialen und antithetischen Wahrnehmungs- und Differenzierungsbezug, in der klaren Abgrenzung von Smuts selbstvergöttlichendem Holismus und der damit verbundenen Irrationalismusanfälligkeit im "Selbst"-Bezug (z. B. in Maslows "intentionalem Selbstbezug") u.s.w..
Auf dieser Grundlage ließen sich auch die evolutionistischen Verwertungs-, Vereinnahmungs- und anschließend vorgenommenen pauschalen Entwertungsbezugnahmen auf die Gestalttherapiegrundlagen klar abgrenzen (S. 636, 640). Hierzu wird später auch auf die für diese Vereinnahmungsversuche verantwortlichen Schwächen in Perls Grundlagenwerk eingegangen (Band 3, S. 193 - 221). Dies geschieht wie auch die Bezugnahmen auf dieses Werk nur gegenstandsbezogen.
Die wissenschaftsgeschichtliche Grundbestandsperspektive grenzt jedoch nicht nur den irrationalistisch holistischen sondern auch den axiomatisch- (Nordenholz) und kosmologisch-neobehavioristischen Gestalttheorie- und Holismusbezug ab, auf den sich Scientology und ihre New-Era-Mission mitsamt ihrem evolutionär-psychologischen Umerziehungsmodell und den hierzu gehörenden Realisierungsstrategien, Vereinnahmungs-, Organisations- und Expansionsstrukturen bezieht und legt beides auf der Grundlage verlässlicher Quellen dar (S. 320 - 403).
Auf dieser Basis wird dann das evolutionär-psychologische Belehrungsprojekt des Psychiaters und KVPM-Mitbegründers Th. Szasz gesichtet (S. 404 - 545), der hier wahrgenommene Strategiestil zur Vereinnahmung und Demontage von Scientologys Konkurrenten auf dem Psychomarkt und seinen evolutionär-psychologischen Wissenschaftsforen dargelegt und kritisch im wissenschaftlichen Ethik- und Verantwortungsbezug erörtert (S. 546 - 574).
In Band 3 forderte die wissenschaftsgeschichtliche Strukturperspektive dazu auf
- den strukturellen Phänomenologieansatz im Abgrenzungsbezug auf die irrationalistische Phänomenologieentwicklung sowie hierzu den phänomenologischpragmatischen Strukturkriterienbezug und den methodisch feldstrukturellen Reduktionsansatz der Strukturanalyse vorzustellen (S. 134 - 220, 738 f) und
- die Standpunkte von denen aus gesichtet und untersucht wird sowie den wissenschaftstheoretischen Diskurs, der in der Studie angelegt ist, mitsamt dem hierzu entwickelten phänomenologischen Wissenschaftsbezug ausführlich darzulegen (S. 113 - 160, 731, 738).
Damit dient die wissenschaftsgeschichtliche Strukturperspektive nicht nur den strukturanalytischen Reflexionen im auswertenden Tradierungsbezug des dritten Bandes (S. 29 ff, 50 - 59, 62 etc.), sondern geht in diesen auch theoretisch weiterführend ein. Dies lässt
- den untersuchten irrationalistischen und evolutionären Psychologieansätzen
die in der Tradition der Aufklärung geankerten, rationalwissenschaftlichen und emanzipativen Ansätze und
- der evolutionär-psychologischen Bausteinsammel- und Anleihepraxis
den wissenschaftstheoretisch eingegrenzten Forschungsanschluss der Studie mit seinem strukturell-phänomenologisch und strukturanalytisch angelegtem Differenzierungs- und Integrationsansatz gegenüberstellen (S. 729).
Dieser Ansatz geht in die zeitgeschichtliche Introjekt- und Narzissmusforschung ein, die in der Studie begonnen wird (siehe unter "tiefenpsychologische Strukturperspektive").