Zur Geschichte dieses Gestalt-Curriculums

Bis zur professionellen Hintergrunderschließung war es in der GT ein langer Weg. Denn die Schweigemauern hatten auch die Psychotherapeuten verinnerlicht und wirkten auch in ihren Ausbildungen weiter, womit die Gefühlserbschaften (Freud) aus NS und Shoa auch hier lange Zeit unbeachtet blieben.

Und während in der Psychoanalyse der NS-Einbezug schon bald diskursiv erkämpft war (A. M. Mitscherlich 1996) und in seiner Symptombreite nur wenige Jahre nach 45 zu erforschen begonnen wurde, dauerte dies alles in der GT noch bis in die 90er Jahre. Hier waren es dann B. Heimannsberg und Chr. J. Schmidt (Hrsg. 1992), die das Thema zu erschließen und bewusst zu machen begannen.

Dieses GT-Entwicklungsfeld schien auch durch das Hier & Jetzt-Prinzip strukturell erschwert (Roessler 1996/ Curriculum I.A. 2.1) und dieses erst spät in den Zusammenhang mit der Traumatisierung ihres Begründers, F. Perls, im 1. Weltkrieg gestellt (Bocian 2012/ Curriculum II.B. Aktuelle Beiträge). Auch dass Perls zuletzt in Esalen lebte und lehrte und die GT von dort aus nach Europa expandierte, hielt den Einbezug des Shoa-/ NS- Hintergrunds für lange Zeit auf. Denn von Esalen kamen auch die hier boomenden spirituell-esoterischen/ transpersonalen Psychomarkt-Angebote in die europäische Gestalttherapie-Entwicklung

Zusatzinfo
Die auf diesem Markt erworbenen spirituellen Ausgestaltungen der Familienaltlasten zeigten, dass hinter der Sehnsucht nach spirituellen Paradieszuständen, Neubeheimatungen, endlich weisen/ guten Elternfiguren und hinter den Freilegungsarbeiten an einem eigenen göttlichen Selbst, göttlicher Führerschaft/ Unverletzlichkeit und der spirituellen Auslagerung eigener (Mit-)Verantwortung an höhere Mächte oftmals nichts anderes zu Tage trat als die langen Schatten einer nicht bewältigbaren Vergan­genheit in den Familien und deren Defizite. Diese und der NS-/ Shoa-/ Kriegshintergrund wurden hier im spirituellen Transformationsmodus „entsorgt“ und eine spirituell-esoterische/ transpersonale GT-Entwicklung etabliert, die den emanzipativen Kern der GT und ihre wissenschaftliche und konzeptionelle Verankerung in der Tradition der Aufklärung aushebelte. 
Dabei entwickelte sich ein doppelter Schutz: der einer spirituellen Nicht-Hinterfragbarkeit, die auch die eigene neue Wertigkeit bewahren half und der vor einer eventuell schmerzlichen Auseinandersetzung mit dem noch immer nicht fassbar gewordenen Familienhintergrund. Erst die politische Wiederkehr der rechten Ideologien, Machtgeflechte und deren Nähe zur Esoterik lockerte die Abwehr.
Als Mitte der 90er Jahre immer mehr Literatur über den Zusammenhang zwischen Esoterik und rechten Ideologien zur Verfügung stand, entstand die Psychomarkt-Studie (Teil 2 im Curriculum), welche die subtilen Tradierungsphänomene in den spirituell- bzw. transpersonal-psychologischen Entwicklungsweg-Angeboten mitsamt ihren Begründern vor dem NS-Hintergrund untersuchen und dann darüber im eigenen Feld aufklären konnte.
Die in der Arbeit mit spirituell-esoterisch involvierter Klient*innen häufig aufgefallenen NS-Involvierung bei für sie wichtigen Familienmitgliedern legten den Schwerpunkt in der Themenerschließung dann endgültig auf das familiär tradierte Weiterwirken von NS und Shoa
Über Workshop-Vorbereitungen hierzu entstand dann der Curriculum-Fundus. Die Beiträge wurden im 1. Corona-Lockdown interkollegial aus Psychoanalyse, Gestalttherapie und Systemischer (auf Lewins Feldkonzept) bezogener Therapie zusammen­­ getragen. Mit dem Ziel, das Weiterwirken von NS, Shoa in den Familien für die Gestalttherapie weiter zu erforschen, hierzu die wichtigsten Erkenntnisse auch für andere zugänglich zu machen, damit diese mit der Zeit in die Lehre integriert werden können, wurde als erstes eine Dauerpräsenz des Curriculums im D-A-CH-Gestalttherapie-Feld erwirkt und hierfür die Reihenfolge der Beiträge umgekehrt.