A.5.3 Beiträge aus dem Kontext der Psychoanalyse

Die Gegenwart der Vergangenheit – transgenerationale Folgen von Kriegen 
Prof. Dr. Angela Moré, Leibniz Universität Hannover, Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Einblicke in die Psychoanalyse: Krieg im Innen und im Außen“, FB 21 der Philipps-Universität Marburg am 23. 11. 2022
A. Moré versteht die Geschichte der Kriege auch als Geschichte von Reinszenierungen und immer neuen Re-Traumatisierungen. Die Frage danach, wie die Nachgeborenen das Ungesagte erspüren, auf die inneren Bilder und Nöten ihrer Eltern mit eigenen inneren Bildern reagieren und diese sogar mit deren weggedrängten Anteilen konfrontieren können, beantwortet sie mit Wahrnehmungen aus der psychoanalytischen Gruppenanalyse, der relationalen und interpersonalen Psychoanalyse und mit Erkenntnissen Gruppenanalytikers S. H. Foulkes, insbesondere mit dessen „Matrix“ genannter Kommunikation innerhalb unbewusst vernetzter Felder zwischen Menschen. Den im Krieg entstehenden Dynamiken nähert sie sich über R. Friedmanns „Soldaten-Matrix“ und den hier im Freund-Feind- und Hierarchieschemata entstehenden Gruppendynamiken und der sich hier entwickelnden Empathielosigkeit und Brutalität. Was geschieht, wenn sich während kriegerischer Konflikte diese Soldaten-Matrix mit der Matrix der sie umgebenden Gesellschaft immer mehr verweben kann und wie sich sogar Sieg oder Niederlage auf die Heilung der Traumata auswirken können, wird ebenso thematisiert wie die hier aufkommende Narrativbildung in den sich hier ausbildenden „Schicksalsgemeinschaften“. Über V. Volkans Blick auf die Prozesse in diesen und wie diese sowohl ausblendende als auch glorifizierende Narrative fördern, lotet sie für den Umgang mit der Vergangenheit und/ oder Gegenwart die Pole „Selbstreflexion“ und „Leugnung/ Nicht-Anerkennung von Gewalt, Genozid und Kriegsverbrechen“ aus. Hierzu verweist sie angesichts des aktuellen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine auch darauf, dass Leugnung und Lügen „nicht nur die letzte Stufe“ von Massenverbrechen sind sondern von Anfang Teil der Verbrechensplanung und des Verbrechens selbst.

Hintergründe aus NS-Gewaltherrschaft und Zweitem Weltkrieg in heutigen Psychotherapien
Jürgen Müller-Hohagen (2015); In: GESTALTTHERAPIE (2015, 29/2, Seite 2-23); In diesem Beitrag werden nicht nur die transgenerationellen Folgen von Krieg und NS-Verbrechen/ -Mitläufertum für die nachfolgenden Generationen reflektiert, sondern hierfür auch gesondert auf die dauerhaft verunsichernden Nachwirkungen in den Familien der von Vernichtung bedrohten politisch Verfolgten geblickt, die bis zur Enkelgeneration reichen. Dies schließt eine Lücke in den bisherigen Schriften zum Weiterwirken, die aus der Praxiserfahrung schöpft. Hinter dieser stehen die Erfahrungen des Autors als Psychotherapeut und im Rahmen des von ihm und seiner Frau gegründeten Dachau Instituts Psychologie und Pädagogik  - www.dachau-institut.de

Kindheit im Krieg und Nationalsozialismus. PsychoanalytikerInnen erinnern sich von Gertraud Schlesinger-Kipp (2012, Psychosozial, Gießen)

Transgenerationale Weitergabe kriegsbelasteter Kindheiten. Interdisziplinäre Studien zur Nachhaltigkeit historischer Erfahrungen über vier Generationen von Hartmut Radebold, Werner Bohleber, Jürgen Zinnecker (Hrsg. 2008, Weinheim u. München, Juventa). Die Beiträge hier sind das Ergebnis eines interdisziplinären Transfers zwischen Zeitgeschichte, Psychosomatik/ Psychoanalyse sowie Kinder-/ Jugendpsychotherapie und -psychiatrie.