A.6.3 Transgenerationelle Weiterwirk-Konzepte aus der Psychoanalyse für die GT erfassen – ein Anfang

Autonomieentwicklung und Verschmelzungssehnsucht 
Karin Daecke, Paul Goodman-Tagung, Wien (D-A-CH-Dreiländertagung), 2011;
In diesem Beitrag geht es um das Ich- und Symbioseverständnis in der GT, Psychoanalyse und bei E. Fromm, wobei die spirituelle Weitergestaltung von NS-Tradierungen wie z.B. dem symbiotischen Verlangen, mit einem höherwertigen Ganzen zu verschmelzen, reflektiert wird.

Potenziale der Gestalttherapie im NS-Introjekt- und Narzissmusforschungsfeld
Karin Daecke, Gestalttherapie-Tagungsvortrag, Hamburg, 2008;
Was die Psychoanalyse auf NS-Tradierungen bezogen als Übertragungs- und Objektbesetzungsphänomen begreift, kann mit der gestalttherapeutischen Begrifflichkeit auch als tradierungsrelevantes Introjektphänomen erfasst werden. Eine erste Einführung hierzu aus meiner Praxis- und Umfeld-Erfahrung

Gefühlserbschaften von NS und Shoa und andere Hinterlassenschaften
Vortrag von K. Daecke im gleichnamigen Workshop mit Cornelius Voigt auf der DVG-Tagung "Mitten im Fluss oder am Ufer? Die Bedeutung der organismischen Selbstregulation in Gestalttherapie und Beratung", 2022 in Nürnberg;
Hier wird auf die verschiedenen transgenerationellen Tradierungs- und Weiterwirk-Ebenen geblickt, einschließlich der Folgen von KZ, Verfolgung, Krieg und eine Entwicklungstraumata bzw. frühe Störungen bewirkende Säuglings- und Kleinkinderziehung. Diese war rigide und Empathie verweigernd. Sie störte von erster Stunde an die organismischen Selbstregulations- und Entwicklungsprozesse der Säuglinge und Kleinkinder in dem Maße, wie sich die Mütter hierzu durch BDM und Hebammen indoktrinieren ließen. Das Arbeiten im transgenerationellen Weiterwirkfeld witd hier für die GT sowohl theoretisch im Blick auf die "Pole binden - lösen" begonnen als auch praxiologisch anzuleiten versucht. Denn hier braucht es insgesamt ein "basales Holding" im therapeutischen Setting, das in diesem Beitrag über einige Beispiele angeregt wird. Die beiden nachfolgenden Beiträge erweitern sowohl das theoretische als auch das praxiologische Arbeitsfeld im Blick auf narzistische Weiterwirkfolgen diagnostisch.

Zur Dynamik narzisstischer Beziehungsstruktur 
Dieser Beitrag stammt von Frank Petermann (www.frankpetermann.de) - Erstveröffenung in: GESTALTTHERAPIE (2. Jg. Heft 1/ 1988, 31 - 41).
Hier wird ein beziehungsdynamisches Narzissmusverständnis erarbeitet, das auf dem Konzept eines „expended Self“ beruht, welches schon vielen Gestalttherapeuten wichtige Anregungen für ihre Arbeit gegeben hat. In dieses Konzept gehen Federns psychoanalytische Vorstellungen von dynamischen Ichgrenzen genauso mit ein wie „Fritz Perls`(1. Aufl. (1989) Klett Cotta/ dtv, S. 129) partielle Abgrenzungen und Differenzierungen dieser Vorstellungen (ebenda 154ff) über den Blick auf bipolar wirkende, holistisch gruppenbezogene (Psycho-/ Sozio-)Dynamiken (ebenda 159) und sein Narzissmusverständnis als Defizit- und Kompensationsphänomen in der Selbstentwicklung (ebenda S. 191).
Damit vermag dieser Beitrag der Gestalttherapieentwicklung im transgenerationellen Weiterwirkkontext von NS, Shoa und Krieg wichtige Anstöße und Forschungsimpulse geben. Er kann uns dabei helfen, zahlreiche nazistisch-narzisstische Tradierungsphänomene besser zu verstehen oder auch etliche der transgenerationellen Wirkphänomene, welche die Psychoanalytiker*innen mit Begriffen wie „Telescoping-“ oder „Zeittunnel-Phänomene“ etc. zu erfassen versuchen, ins GT-Verständnis zu übersetzen.

Aus der erzwungenen Konfluenz in den vollen Kontakt. Gestalttherapeutisches Arbeiten mit erwachsenen Kindern narzisstischer Eltern
Dieser Beitrag von Judith Anhammer-Sauer (zuerst veröff. in: GESTALTTHERAPIE, 36. Jg., Heft 1/ 2022 (39 – 61) zeigt, wie gut das dialogische Konzept der Gestalttherapie den Folgen narzisstischer Familiendynamiken antworten und den hiervon Geschädigten helfen kann. Um die Kontaktverzerrungen im Sog narzisstischer Beziehungsdynamiken aufzuzeigen, bezieht die Autorin Konzepte von Petermann, Yontef und Salonia mit ein. Da die NS-Gleichschaltungsideale mit ihrer narzisstisch aufwertenden Teilhabe an der „Kollektivsymbiose mit Hitler“ noch lange nach 45 in den Familien verdeckt oder abgewandelt auf andere Objekte bezogen fortwirkte, ist dieser Beitrag auch für die Erforschung der transgenerationellen Folgen von NS und Shoa sehr wertvoll, denn er leuchtet die narzisstische Dynamik zwischen Eltern und ihren Kindern aus. Er macht deutlich, was dauerhaft eingeforderte Konfluenz- bzw. narzisstische Symbiose-Erwartungen im Familienfeld bei den Nachgeborenen anrichten konnten/ können, worauf wir Therapeut*innen hier achten müssen und wie wir hier auch die Leibebene mit einbeziehen können.