B.2.2.4 Narzissmus und politischer Irrationalismus: Eine Tradierungsperpektive
Die Wahrnehmung dieser grandios verzerrt wahrgenommenen Kommunikations- und Machbarkeitsoptionen und des damit verbundenen Entwicklungs- und Machbarkeitswahns (massenpsychologische Manipulationstechnologien) fließt stark in die Frage nach den strukturell-faschistischen Tradierungsphänomenen in den Evolutionsmissionskontexten mit ein. Sie verweist auf strukturtypologische, konkret historische und gesellschaftssystemische Tradierungselemente, nach denen nun im gesamten psychagogisch ideologischen "Höherentwicklungsspektrum" geforscht werden kann.
Die hierbei strukturell-phänomenologisch aufzeigbar werdenden, ideologischen, spirituellen und wissenschaftlichen Verarbeitungs-, Identitätsbildungs-, Bewusstseinsbildungszusammenhänge können auch als Fundus von Introjektbildungen oder Introjektreaktivierungen aus dem hier untersuchten Mehrgenerationen- bzw. Tradierungsfundus angesehen werden. Hierzu wird die irrationale Seite menschlicher Verarbeitungsweisen mitgesehen bzw. deren Missbrauchbarkeit, Instrumentalisierbarkeit.
Dies kann zu guter Letzt auf kollektiver, projekt- und gruppenspezifischer oder auf individueller Ebene untersucht werden, wobei sich die Frage stellt, ob sich gesellschaftssystemische, ideologische, spirituelle und psychodynamische Tradierungstypologien als strukturell analoge und durchgängig auffindbare Identifizierungs- und Vorstellungskomplexe von "evolutionärer Weiter- bzw. Höherentwicklung" von Mensch, Zivilisation, Lebenssinn aufzeigen lassen, die zu einem evolutionär-typologischen, sozialen Identitäts- und Beziehungsmodus führen.
So wird das moderne, evolutionär-spirituell verklärte Verständnis von Selbst- und Ich-Entwicklung ("Menschwerdung") in den evolutionär-psychologischen Wegführungen auslotbar, wobei gefragt werden kann, ob deren Evolutionsparadigma erneut die Nutzung narzisstischer Psychodynamiken, Ich- und Beziehungsstrukturen bedingt und sich dies in den psychagogischen Konzeptionen und Praxeologien niederschlägt.
Diese Untersuchungsperspektive basiert auf E. Fromms (1977) kritischer Auseinandersetzung mit universalen Annahmen über zivilisatorische Entwicklungs- und Evolutionsprozesse für Mensch und Gesellschaft in den Humanwissenschaften. Sie knüpft an seiner Erörterung des gesellschaftsbezogenen Evolutionsbegriffs an. Denn Fromm blieb stets konkret historisch, durchgängig von psychodynamischen oder sozialdarwinistischen Universalisierungen und von phylogenetischen Triebkonzepten abgegrenzt und schloss biologische Erkenntnisse nicht aus, an denen heute neurobiologische Konzepte anknüpfen können. Weiter fließen auch die in seinem Frühwerk erarbeiteten Erkenntnisse über den narzisstischen Abwehr- und Persönlichkeitstypus ein, den er auch im kollektiven Fanatismus des NS-Regimes am Werk sah.
Auf dieser Grundlage kann die Perspektive auf den gnostisch-manichäischen Glaubenskern in der NS-Ideologie, den Strohm (1997) schlüssig herausgearbeitet hat, anschließen und den glaubensgeschichtlichen Tradierungskern evolutionär-narzisstischer Bewusstseins-, Identifikations- und Identitätsbildung erhellen, was auch die feministische Perspektive ("f"-Perspektive) bzw. den Blick auf die patriarchalen Tradierungsstrukturen in der Tradierungsperspektive auf den Untersuchungsgegenstand verankern lässt.
Wie nun schon deutlich wurde, erfordert die Frage nach den "strukturell-faschistischen" Bahnungs- und Tradierungseffekten im untersuchten Psychologie- und Psychagogikspektrum ein interdisziplinär auslotendes Vorgehen. Denn ein komplexes Phänomen bedingt auch eine komplexe Erkenntniserschließung, die aus dem Fundus verschiedenster Wissenschaftszweige schöpfen kann. Hier muss aus gesellschaftshistorischen, politökonomischen, soziologischen, politologischen, religionswissenschaftlichen oder psychologischen Studienerkenntnissen geschöpft werden können, was an Petzolds Mehrperspektivitäts- und Transversalitätsprinzip anschließen ließ. Diese Anlehnung bleibt allerdings im Gegenstands- und Zeitgeschichtsbezug eingegrenzt. Dieser Eingrenzung entspricht ein strukturell-phänomenologischer und gegenstandsgeankerter Feldbegriff, Feldbezug und ein zeitgeschichtlich und methodisch geankerter Strukturperspektivenansatz (grounded theory, Corbin, Strauss).
Die Ausrichtung der Untersuchungsfrage impliziert damit auch wissenschaftlich integrative Wahrnehmungsstrategien auf ein glaubens- und ideologiegeschichtlich tradiertes Introjekt- und Narzissmusphänomen und für dessen erkenntnisorientierte Auslotung eine phänomenologisch strukturvergleichende und strukturanalytisch auswertende Herangehensweise (B 3, V.).
Diese bündelt mehrperspektivische Erkenntniserschließungswege, die auf (zeitgeschichtlich und politökonomisch) gesellschaftssystemische sowie auf glaubens-, ideologie- und wissenschaftsgeschichtliche Tradierungsstrukturen aufmerksam machen und lässt zuletzt auch noch bis in die psychologische und sozialisationshistorische Ebene auslotende Strukturperspektiven auf das untersuchte Introjekt- und Narzissmusphänomen einbeziehen. Mit Hilfe strukturanalytischer Reduktionsschritte werden sodann analoge Strukturen und Strukturelemente bei den untersuchten evolutionär-programmatischen Evolutionsmissionen und ihren Psychomarkt- und Psychologieprojekten sichtbar gemacht.
Hierbei werden die für die Tradierungsfrage, aber auch für die Gefahrenbewertung relevanten Strukturelemente faschistischer Bewusstseinsbildung zum Parameter für die Verifizierung der Untersuchungsthesen in der Auswertung des strukturell-phänomenologisch untersuchten Bewusstseins-, Identifikations- und Identitäts(um)bildungs- und Tradierungsspektrums. Dabei macht die Perspektive auf die tradierungsrelevanten Strukturanalogien deutlich, dass zwischen Bahnung und Tradierung zwar ein weites Feld liegt, dass dieses aber nicht erst im Ausgestaltungsbereich der gefährlichsten Wirkungsformen ernst genommen werden muss.
Zur Gewinnung von Strukturkriterien wird geschichtspädagogisches Studienmaterial über die Erziehung im Dritten Reich (Klönne 1995 u.a.) und psychoanalytisches Studienmaterial über faschistische und nazistisch-narzisstische Introjektwirkungen in der "zweiten Generation" (Eckstaedt 1992 u.a.) einbezogen (B 3, VI. 2.c).
Hier können zahlreiche tiefenhermeneutische Perspektiven anschließen.