B.3.1.4 Der mikro- und makrosoziale Feldfokus und sein schulenübergreifendes Auslotungspotenzial

Gemäß den mikro- und makrosozialen Feldfokussierungsweisen, die im Vierfelderansatz angelegt sind, zeichnet sich das Untersuchungsfeldspektrum durch eine unterschiedlich feldspezifische Intensität, Dichte und Ganzheitlichkeitsausrichtung des Sozialisationssettings aus, wobei allen Untersuchungsfeldern eine Spiritualisierung gesellschaftssystemischer Strukturphänomene und Marktdynamiken, sowie ein spiritueller Feld- und Grundbezug zu eigen ist.
Letzteres konnte nur im dargelegten Hintergrundbezug erschlossen werden (Band 3, S. 34 - 45, 439 - 445), wobei der makrosoziale Feldfokus überwiegend an Marx' und Sennetts politökonomischen Kapitalismusentwicklungsanalysen und an jahrelangen Zeitungsrecherchen zu Produktions- und Gesellschaftsentwicklungstrends angelehnt bleibt.

Dieses Sozialisationssetting

  • impliziert stets einen Initiationsbezug, der im feldspezifisch genutzten Strukturbruch- bzw. Trauma(nutz)bezug der Identitätsdekonstruktion dient (z. B. Dürckheims "Einschlag von Oben" oder "vertikaler Initiationsbezug") und einen Identifikationsprozess mit strukturell sozialdarwinistisch rezepierten Evolutionsidealen bzw. Evolutionierungsansprüchen sich selbst und anderen Menschen gegenüber einleitet; Dürckheim nennt ihn "horizontalen Initiationsbezug" (Anlehnung an Evola). Dieser leitet den feldspezifischen Sozialisierungsansatz mittels pychologischer und spiritueller Technologien ein und zielt auf eine expansive und programmatische Identitätsumbildung mit evolutionär-elitärem Führungsanspruch;
  • evoziert stets eine "solare Feldstruktur" mit führerzentrierter und hierarchischer Soziogrammatik (solarer Logosbezug);
  • zeigt eine auf allen Ebenen anzutreffende Entgrenzungs- und Konfluenzdynamik, die zuletzt in eine extensive Vereinnahmungs- und Selektionsstruktur mit glaubensgeschichtlich tradierten Licht-Finsternis-Dualismus mündet.

Der bis in den mikrosozialen Strukturbezug einfließende Vordergrund-Hintergrundbezug ermöglichte die gegenstandsbezogene Wahrnehmung und Erörterung feldpsychagogischer Nutzungs- und Umgestaltungsweisen von Abwehrdynamiken, die von den Adepten ins Projektfeld "mitgebracht" werden und deshalb als primär- und sekundär-sozialisatorisch und gesellschafts-systemisch mitgeformte Abwehrdynamiken betrachtet werden müssen.

Damit reicht die Auslotungsreichweite vom untersuchten sozialisatorischen Einflussfeld des jeweiligen Feldprojekts bis zum sozialisatorischen Einflussfeld "Individuum - Gesellschaft". Der Feldhintergrund- bzw. gesellschaftliche Struktursichtungsbezug bleibt hierbei im Rahmen des thematisierten zeitgeschichtlichen und aktuellen Gesellschaftssituationsbezugs.

Die mikrosoziale Perspektive unterscheidet Bezugnahmen auf inner- und außerweltliche Phänomene (Lewin) und verweist auf psychologische Konzepte, die im tiefenpsychologischen Feldstrukturbezug nebeneinander gestellt bleiben.

  • Perls' strukturellen Feldpsychologieansatz mit seiner Abgrenzung von Smuts Holismus und ganzheitlicher Vergöttlichungstendenz, seinem Verständnis von Narzissmus als "Ichausdehnung" (in den Anderen, in die Umwelt), seiner Sicht auf auto- und alloplastisch strukturierte Abwehrdynamiken und ihre Bedeutung für Herrschaftsbeziehungen etc. (Alle Anlehnungen beziehen sich auf sein Grundlagenbuch "Das Ich, der (...)", 1944/ 1989).
  • Petzolds, Siepers, Orths (...) Kernkonzepte zum komplexen Lernen, zur Transversalität und Integration, zur Wertschätzung des Differenten, zur notwendigen Interdisziplinarität und Mehrperspektivität, ohne welche die komplexe menschliche und zwischenmenschliche Wirklichkeit nicht erfasst werden kann, zu den Heilungsfaktoren, zur Förderung einer eigenen Position in der therapeutischen Beziehung etc.;
  • Fromms Bezugnahme auf Symbiose- und auf narzisstische Feldsymbiosestrukturen, seine Reflexion von Evolutionsansätzen in den Humanwissenschaften und seine Thanatosbezugnahme auf den Nationalsozialismus (1977);
  • Stavros Mentzos Abwehrkollusionsansatz und die psychoanalytische Tradierungsperspektive A. Eckstaedts und ihre zeitgeschichtliche Darlegungsweise des narzisstischen Objektbezugs u. a..

Dies lässt die im Projektspektrum untersuchten evolutionär-psychologischen Abwehrstrukturen und die damit einher gehenden strukturell-faschistischen Identitätsbildungsphänomene bis in die entwicklungs-, tiefenpsychologische Dimension hinein ausloten, während die sozialisationshistorische und zeitgeschichtlich gesellschaftssystemische Dimension hierzu den Hintergrund bildet. Dieser mikrosoziale und tiefenpsychologische Feldstruktursichtungsansatz bleibt für noch nicht bedachte Wirkfaktoren offen.

Der schulenübergreifende Beitrag, den die mikro- und makrosoziale Feldfokussierung liefert, besteht darin, einen für Gestalttherapie, Psychoanalyse und Integrative Therapie forschungsanschlussfähigen Feldbegriff, Feldbezug und Felddifferenzierungsansatz anbieten zu können.
Dieser Ansatz kann die strukturell-phänomenologisch forschungsrelevanten Bezugnahmen feld- und gegenstandsbezogen zusammenführen.
Das Potenzial des Vierfelderansatzes mit

  • seiner mikro- /makrosozialen Feldfokussierungs- und Auslotungskapazität,
  • seinen strukturell-phänomenologischen Grundbestandsperspektiven und komplexen Felddifferenzierungen

erweitert den tiefenpsychologischen Blick auf pathologische Abwehr- und Narzissmusstrukturen, wie er von Vertretern der Frankfurter Psychoanalyse und in Perls' Grundlagen der Gestalttherapie entwickelt wurde, entscheidend, wobei der grundbestands- und zeitgeschichtliche Tradierungsbezug auf Narzissmusphänomene der Studie bereits im ersten Band angelegt und in den beiden nachfolgenden Bänden immer weiter differenzierter wird.

Der Studienansatz bewertet hierfür nicht, dass Ich- und Selbstbegriff in Psychoanalyse und Gestalttherapie unterschiedlich definiert werden (siehe unter "Strukturperspektiven"/ "tiefenpsychologische Strukturperspektive"). Er grenzt lediglich den göttlichen bzw. evolutionär-spirituellen Selbstbezug vom tiefenpsychologischen ab. Hierzu wurden auf der Grundlage der glaubensgeschichtlichen Strukturperspektive fünf "solare und bipolare Identitätsbildungs- und Tradierungsstrukturen" gesichtet und diese feldübergeifend nachgewiesen (siehe in der Internetseite "Tiefenpsychologische Strukturperspektiven").

Das Sichtungsergebnis ließ feministische Strukturperspektiven auf patriarchale Totalitäts- und Herrschaftsstrukturen entwickeln, die ebenfalls gegenstandsverankert und felddifferenziert erörtert werden.
Dies bereicherte nicht nur die feministische Forschung in den Humanwissenschaften, sondern ließ auch zahlreiche und auf beiden Zeitachsen erarbeitete gesellschaftssystemische und ideologiegeschichtliche Feldeinfluss- oder Feldtradierungsfaktoren erarbeiten, welche die Perspektive auf Abwehrphänomene im Gender- und im patriarchalen Herrschaftstradierungskontext vertiefen.

An diesen Erkenntnisertrag kann die gestalttherapeutische Forschung gut anschließen, da in den zeitgeschichtlich verankerten und strukturell-phänomenologischen Feldbezug der Studie auch Perls' situativer und strukturell hintergrund-vordergrundorientierter Feldbezug (Feld - Kontext - strukturelles Ganzes) mit eingeht, den er im Rahmen der Diskussion seines strukturellen Feldpsychologieansatzes einführte (Perls 1944 / 1989, S. 28).
Zudem hat Perls ebenfalls einen gesellschaftlichen Hintergrundbezug, auf den er sich im Interessenkontext (Abwehrbildung) und im ideologischen Ausrichtungskontext auf den Nationalsozialismus bezieht. Perls hat ebenfalls den vergöttlichenden Selbstbezug bzw. "Smuts (selbst)vergöttlichenden Holismus" abgegrenzt (ebd.) und hierzu auf die Einschränkungen hingewiesen, die der Mensch "für die Orientierung in der Umwelt und für das Handeln im Umgang mit ihr" in Folge des Verlusts des "kategorialen Denkens" erleidet (ebd.). Hier ist eine Anknüpfung an den Irrationalismus- und Abwehrstrukturbezug der Studie möglich, zumal Perls Feldbezugnahmen auf "strukturelle Holoide" in einem kategorialen Wahrnehmungs- und antitethischen Differenzierungsbezug angelegt sind und dies in die Strukturanalyse der Studie einging.
Da der strukturanalytische Erkenntnisertrag der Studie auch psychoanalytisch erarbeitete "Strukturphänomene" mit einbezieht (Band 3, S.417 - 426), kann auch die Psychoanalyseforschung gut anschließen, sofern sie den Feldansatz der Studie bzw. ihre Feldkategorienbildung und ihre transgenerationelle Felddimension (Band 3, V. 2.c) akzeptiert. Mentzos' und Eckstaedts Narzissmusbezug erhellen zudem das in der Studie erarbeitete Narzissmusverständnis.