A.6.2. Feld- und gesellschaftsphänomenologische Aspekte

TOXISCHE ATMOSPHÄREN - Zur Rolle von Atmosphären in zwischenmenschlichen und psychopathologischen Prozessen 
Zwischenarbeit von Dieter Nicka im Universitätslehrgang Psychotherapie – Fachspezifik. Integrative Gestalttherapie, Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an der Donau-Universität Krems, 2021
Die vorliegende Arbeit möchte in das Phänomen der für die zwischenmenschliche Kommunikation und Beziehung bedeutsamen Atmosphären einführen, diese definieren und der GT den Kenntnisstand hierzu vorstellen. Sie fragt hierzu auch, was das Phänomen der Atmosphäre im Beziehungsraum ausmacht, welche Funktion es hier haben kann und ob es hier auch Verbindungslinien zu psychopathologischen Prozessen gibt bzw. welche atmosphärischen Phänomene für diese bereits benennbar wurden. Hierfür wird in der Arbeit im Blick auf Überlegungen von Böhme (2007), Fuchs (2013), Petzold (1992), Griffero (2019), Francesetti, Gecele & Roubal (2016) zwischen atmosphärisch verbindenden und zerstörenden, Welt einschließenden und verlustig werdenden, gesunden und nicht gesunden Ausformungen der Kommunikation unterschieden. Für die GT ist bedeutsam, dass auch die mit Lewins Feldtheorie verbundene wissenschaftliche Auseinandersetzung G. Francesettis mit Atmosphären-Konzepten und die gestaltpsychologischen Vorstellungen von W. Metzger und K. Conrad fließen mit einfließen.
Die Atmosphärenkonzepte werden leibphänomenologisch über Verständniszugänge von H. Schmitz (2014) hierzu und G. Böhmes (2019) Kritik daran, über Merlau Pontys und Th. Fuchs‘ Leibverständnis erörtert. Über Andrea Moldzios (2002) Überlegungen zu dissoziativen und auflösungsnahen Zuständen, H. Petzolds leibphänomenologische Bezugnahmen auf Krankheit/ Gesundheit und H. Tellenbachs entwicklungspsychologische Perspektiven auf Familienatmosphären werden sie psychotherapeutisch thematisiert. Und ausgehend von der Überlegung, dass sich ein psychopathologisches Feld genuin atmosphärisch manifestiert, werden zuletzt auch psychoanalytische Konzepte wie das der projektiven Auslagerung unerträglicher Selbstanteile auf Familienangehörige und die Rolle von Atmosphären hierfür mit einbezogen. Damit bietet dieser Beitrag mit seiner leibphänomenologischen Diskurs-Basierung gute Grundlagen, um diesen Zusammenhang für uns schulen-übergreifend weiter zu vertiefen, zumal die Familienatmosphären für das Weiterwirken von NS, Shoa und Krieg für die GT (Heimannsberg 1992) eine wichtige Rolle spielen.

Verletzbarkeit Denken – Phänomenologische Beiträge zur Erfahrung von Verletzbarkeit
Florian Schmidsberger (Dr. Phil./ ÖAGG), D-A-CH-Tagung, Wien, 2021; Dieser Beitrag fördert mit Konzepten einer zeitgenössischen philosophischen Phänomenologie das Verständnis von menschlicher Verletzbarkeit, Schmerz, Verlust, Leid und von Emotionen. Verletzbarkeit verweist demnach auf unser Ausgesetzt-Sein, unser Angewiesen-Sein auf Andere und auf eine existentielle Hellhörigkeit für die herausfordernde Grundsituation unserer menschlichen Existenz. Die Konzepte erlauben sowohl ein Verständnis individueller Erfahrung, als auch der gesellschaftlichen Einbettung unserer Existenz in das kollektive Zusammenleben mit Anderen. Der Beitrag soll einen theoretischen Rahmen dafür bieten, um Erfahrungen von Krieg, Verlust, kollektiver Traumatisierung und deren Nachwirkungen auf nachfolgende Generationen begrifflich beschreiben zu können. Die philosophische Beschreibungssprache bietet konzeptuelle Mittel an, die das Vorhaben unterstützen, das Weiterwirken von NS-Gewaltherrschaft/ -Verfolgung, Shoa, Ausmerze und NS-Teilhabe in uns Nachgeborenen sichtbar und bewusst zu machen.

Ein Zeitgeschichte und Gesellschaftsentwicklung einbeziehendes Mehrgenerationen-Feldkonzept
Karin Daecke, DVG-Tagung, Berlin, 2011;
Der Feldbegriff der GT hat einen Sinnbezug auf Wirk-Zusammenhänge. Im Beitrag finden Sie erste Begriffe und Vorarbeiten für schulen-übergreifende und interdisziplinäre Anschlüsse im Kontext einer gestalttherapeutischen Erforschung transgenerationeller Weiterwirkphänomene mit Zeitgeschichtshintergrund

Feldtheoretische Bausteine.
Stützle-Hebel M., Antons K.: Die sozialpsychologische Situation von Minderheiten. Kurt Lewins Arbeiten zur Frage von Minderheiten und gesellschaftlichem Zusammenhalt und ihre Aktualität heute. In: Gestalttherapie (2 / 2018, EHP) 3 - 25. Dieser Beitrag klärt wichtige Begriffe der Gruppendynamik (Spaltung, Minderheits-/ Mehrheitsdynamiken, Zugehörigkeits-/ Kohäsionskräfte, Lebensraum-Regionen, Gruppengrenzen, Aversions-/ Assimiliationstendenzen etc.) und ordnet diese feldtheoretisch (Lewin), interdisziplinär und zeitgeschichtsbewusst ein. Dies ergänzt das strukturell-phänomenologische Feld- und Tradierungsverständnis der Studie theorierelevant und ebnet einer zeitgeschichtsbewussten GT-Gruppenpraxis den Weg.

Bausteine für eine sozialkritische Gestalt-Therapie mit zeitgeschichtlichem Hintergrundbezug
Karin Daecke, EAGT-Tagungsvortrag, Berlin, 2010;
Ein strukturell-phänomenologischer Ansatz für die gestalttherapeutische Wahrnehmung von Weiterwirkphänomenen aus dem NS-Identifikationsfundus - hier festgemacht an spirituellen Weitergestaltungen