A.10.3 Literatur zum Thema „Nachfahren beider Seiten begegnen sich“

History, Trauma and Shame.  Engaging the Past through Second Generation Dialogue 
Pumla Gobodo-Madikizela (Hrsg, 2021) Routledge; Ein 1951 geborener Deutscher besucht in den 1970er Jahren Israel. Auf der Fahrt vom Flughafen nach Tel-Aviv entwickelt sich ein angeregtes Gespräch mit dem jungen Taxifahrer. Als dieser jedoch erfährt, dass sein Gast Deutscher ist, tritt er reflexartig auf die Bremse und fordert ihn kommentarlos auf, auszusteigen. Der verdutzte Deutsche folgt der Aufforderung und bleibt alleine am Rande der Straße zurück. Seltsamerweise empfindet er nicht Wut auf den unverschämten Taxifahrer, sondern unerklärlicherweise Schuld- und Schamgefühle. Das Beispiel illustriert die Explosivität, die sogar in harmlosen Situationen des Alltags hervortreten kann, wenn sich nach dem Holocaust geborene Juden und Deutsche begegnen.

Den Abgrund überbrücken. Mit persönlicher Geschichte politischen Feindschaften begegnen
Dan Bar-On (Hrsg. 2000, edition Körber Stiftung); Dieses Buch ermöglicht uns einen tieferen Einblick in die jahrelange Arbeit des Psychologieprofessors Dan Bar-On. Deren Ziel ist es, eine nachhaltige Friedensarbeit zwischen Angehörigen verfeindeter Gesellschaften/ Gruppen und deren in die Traumata ihrer Eltern verstrickten Nachkommen zu beginnen, wie z.B. zwischen Nachfahren der Shoa-Überlebenden und der NS-Täter, der Israelis und der Palästinenser etc. Nachdem er in einer Feldstudie die moralischen und psychologischen Nachwirkungen des Holocaust auf die Nachfahren von NS-Tätern untersucht hatte, startete er viele Begegnungsprojekte, deren Teilnehmer*innen darin unterstützt wurden, einander zuzuhören, sich und den anderen zu verstehen und untereinander allmählich Vertrauen aufzubauen. Dies wurde für ihn zur Grundlage jeglicher Versöhnungsarbeit. Diese bedeutete für ihn, sich auf einen schmerzhaften und langwierigen Verstehens-/ Verständigungsprozess einzulassen. Sein Konzept wurde unter dem Kürzel TRT (to trust and reflekt) bekannt und ist seit Langem ein wichtiger Baustein in der Friedensarbeit.